Ein ganz normaler Arbeitstag. Teil 1

Ich mache eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Viele Menschen können mit dem Beruf nichts anfangen. Darum erst einmal einen kurzen Überblick über Ausbildung und Arbeit einer Hep. All das bezieht sich auf Baden-Württemberg. Denn die Ausbildung unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland.

Die Dauer der Ausbildung beträgt 3 Jahre. In meinem Fall ist es eine duale Ausbildung. Heißt… Sie findet in einem geeigneten Betrieb und einer Fachschule für Pflege statt.

Die meisten dieser Schulen sind privat und kosten somit Geld. Viele Betriebe übernehmen die monatliche Schulgebühr. In meinem Fall zahlt sie der Arbeitgeber. Ein Teil der Materialien müssen trotzdem vom Schüler bezahlt werden. Diese Kosten betragen 150 Euro pro Jahr, wovon ich ebenfalls einen Teil vom Arbeitgeber erstattet bekomme.

Die Ausbildung dauert 3 Jahre undd endet mit einer Facharbeit. Während der Ausbildung lernt man im Prinzip alles, was man für die Arbeit mit behinderten Menschen braucht. Die Fächer reichen von Pädagogik und Soziologie bis hin zu Anatomie und Neurologie. Nach den drei Jahren hast du also 2200 Schulstunden geballtes Wissen erlangt und kannst in unglaublich vielen Bereichen arbeiten. In Einrichtungen für Menschen mit allen Arten von Behinderung. In Kindergärten, Psychiatrien oder Altenheimen.

Soviel zur Einführung. Nach der Ausbildung bist du also Pflegefachkraft und darfst Menschen betreuen, pflegen, versorgen, sie fördern, begleiten. Du kannst über die Vergabe von Medikamenten mit entscheiden. Du hast wahnsinnig viel Verantwortung und Abwechslung. Aber auch Stress, undankbare Angehörige, Arbeitszeiten und irgendwie zu wenig Geld.

Und so sieht ein typischer Alltag aus in meinem Betrieb. Ich arbeite im sogenannten Libw. (Langzeit intensiv betreutes Wohnen). Das ist eines von vielen Wohnhäusern, in dem es drei Wohngruppen gibt. Die Gruppen sind geschlossen. Je Gruppe leben hier 8 Menschen mit Behinderung. Jeder dieser Menschen ist stark verhaltensauffällig und kann dadurch nicht in einer Werkstatt arbeiten. Trisomie 21 mit Demenz, Schizophrenie, jede Art von körperlichen Beeinträchtigungen zusätzlich zu jeder Art von geistigen Behinderung findet sich in unseren Gruppen wieder.

Es ist 7.00 Uhr. Frühschicht Beginn. 8 Kollegen hören sich an, was die Nachtwache berichtet. Für mich ist es Tag 8. Gestern hatte ich Spätschicht. Morgen und übermorgen habe ich frei. 2 Kollegen der heutigen Spätschicht haben sich krank gemeldet. Dienstplan muß geändert werden. Springer und Bereitschaft werden aktiviert

Die Nacht war vergleichsweise ruhig. Nur 3 Bewohner haben sich eingenässt. 2 weitere haben ihre Betten abgezogen. 2 konnten daran gehindert werden, auf einander los zu gehen.

Die Termine der Bewohner werden abgestimmt. (Arzt, Amt, Einkauf) Wer kocht heute, wer versorgt die Tiere?

Inzwischen ist es 7.30 Uhr. Die Mitarbeiter gehen auf ihre Etagen. Ich werde von drei Bewohnern begrüßt. Mein Kopf switcht in den Profi Modus. Herr S hat mehrere für ihn wichtige Anliegen. (Welche Mitarbeiter haben später Dienst, wer geht Einkaufen und warum hat seine Hose ein Loch.) Frau R findet wohl ihr Nachthemd doof und hat es in der Toilette entsorgt. Wir wissen es nicht genau, denn Frau R leidet an Autismus, kann verbal nicht kommunizieren. Aber sie hat bereits ihr Bett gerichtet und die Rollläden geöffnet.

Ich koche derweil Kaffee, der Kollege bereitet die Medikamente vor. Zwei Bewohnerzimmer müssen aufgeschlossen werden. Zusätzlich muss ein Bewohner aus der Fixierung befreit werden. Dieser Mann lebt seit vielen Jahren in der Gruppe. Früher trug er 24/7 einen Helm, und ließ sich nicht berühren. Er ist komplett inkontinent. Er spricht nur ein Wort Sätze und die sind auf 4 Sätze beschränkt. Aufgrund einer frühen Krankheit hört er sehr schlecht. Schlafen kann er nur, wenn er fixiert wurde. Jetzt trägt er keinen Helm mehr, zeigt seine Bedürfnisse, möchte regelmäßig kuscheln und statt 4 Punkt Fixierung, ist nur noch ein Arm befestigt.

Kurz vor 8 Uhr geht es ins Badezimmer. 4 Bewohner auf meiner Seite. 4 Bewohner auf der Seite des Kollegen. Frau R geht als einzige weibliche Bewohnerin zu erst ins Bad. Ich habe zuvor zusammen mit ihr die Kleidung ausgesucht. Sprich: Sie nimmt das, was sie anziehen möchte. Ich achte darauf, dass die Sachen dem Wetter angepasst sind. Ausserdem ist es wichtig darauf zu achten, dass sie sauber und nicht kaputt sind.

Im Badezimmer geht Frau R duschen. Ich bleibe dabei und helfe ihr wo nötig. Meistens beinhaltet das, darauf zu achten, dass Seife und Shampoo komplett ausgespült sind. Der Intimbereich sauber und trocken.

Dann kommen die drei Männer nacheinander. Jeder braucht das komplette Pflegepaket. Vom Zähneputzen über rasieren bis hin zum komplett duschen.

Herr G leidet am Pica Syndrom. Er hat den Zwang, alles zu essen. Und das sind nicht nur Dinge, die essbar sind. Shampoo, Seife, Wäsche, Rasierer. Die Schwierigkeiten, die das mit sich bringt, könnt ihr euch sicher vorstellen.

Nun geht es endlich zun Frühstück. Herr W deckt den Tisch. Frau R hilft beim Brot schneiden usw. Jeder hat seine Aufgaben. An meinem Tisch sitzen 4 Bewohner.

Wir fangen an. Bewohner 1 nimmt sich Kaffee. Bewohner 2 ist sauer und zieht die Tasse von Bewohner weg. Bewohner 3 findet das witzig. Ich schicke B2 einen Lappen holen. B4 schlingt sein Essen. Ich muss ihn ermahnen, damit er nicht erstickt. Endlich ist Ruhe. Jeder isst in Ruhe.

Mein Kollege ist am Nachbartisch damit beschäftigt Herrn K zu beruhigen, der gerade einen Teller werfen wollte.

Es ist 9.15 Uhr. Der Morgen endet mit dem gemeinsamen aufräumen der Küche.

Nun werden Betten kontrolliert, Wäsche gewaschen und Bewohner frisch gemacht falls nötig.

Die ersten Termine stehen an. Und ab 10.00 Uhr wird gekocht.

Derweil wird aufgepasst, das niemand versucht sich und andere zu verletzen. Bewohner strahlen einen an, und wollen kuscheln. Andere möchten sich einfach mitteilen. Menschen mit Behinderung haben auch Sorgen und Ängste. Wir hören zu, trösten und versuchen Probleme zu lösen.

Während ich das schreibe, fällt mir auf, dass ein Beitrag nicht reicht. Darum beende ich das hier und werde morgen das Ganze fortsetzen.

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